Nov 29 / Dr. med. Sebastian Kuss

Wie steht es um die mentale Gesundheit bei Ärzten

In seinem Artikel beleuchtet Dr. med. Sebastian Kuss die mentalen Herausforderungen und den zunehmenden Druck, dem Ärzt:innen in ihrem Berufsalltag ausgesetzt sind und gibt Verbesserungsvorschläge sowie Tipps für das mentale Wohlbefinden.

Mit viel Enthusiasmus aber ohne genaue Vorstellung von den täglichen Belastungen des Berufsalltags haben viele von uns den eigentlich schönsten Beruf aufgenommen.

Jedoch stehen wir unter einem erheblichen emotionalen Druck, der aus der Arbeit mit Kranken und der Konfrontation mit deren Leiden resultiert. Empathie und Mitgefühl sind in unserem Berufsfeld essenziell, können jedoch zur Erschöpfung beitragen.

Zusätzlich belasten uns Faktoren wie Personalmangel, wirtschaftlicher Druck und krankheitsfördernde Arbeitsbedingungen (z.B. lange Arbeitszeiten und Schichtarbeit).

Personalmangel und wirtschaftlicher Druck als Belastungsfaktoren

Der Report des Marburger Bundes (2019) zeigte, dass 74% von uns ihre Gesundheit durch die Arbeitszeitgestaltung beeinträchtigt sehen. Zukünftig könnte unser Stressniveau aufgrund einer steigenden medizinischen Nachfrage, bedingt durch den demografischen Wandel und eine Zunahme chronischer Krankheiten, weiter steigen. Außerdem wird eine Abnahme der ärztlichen Ressourcen erwartet, da die Baby-Boomer in Rente gehen und die jüngeren Generationen häufiger in Teilzeit arbeiten.

Der DAK Psychreport 2023 offenbart, dass unser Gesundheitswesen im Branchenvergleich die meisten Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen aufweist (434 Tage pro Jahr/100 Versicherte), was 44 % über dem Branchendurchschnitt liegt.

Diese Krise hat weitreichende Folgen: beispielsweise machen Ärzt:innen mit depressiven Symptomen sechsmal häufiger Medikationsfehler. Durch Erschöpfung und eingeschränkte mentale Gesundheit ist die Patientensicherheit und auch unsere eigene Sicherheit gefährdet. Denn nach einer 12-stündigen Schicht sind wir doppelt so häufig in Verkehrsunfälle verwickelt, wie nach einer 8 Stunden Schicht.
Es ist unumstritten, dass wir eine Veränderung unserer Arbeitswelt benötigen, um unsere mentale und körperliche Gesundheit zu erhalten. Ansätze wie "New Work" im Gesundheitswesen suchen nach Wegen, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sowohl eine effektive, selbstbestimmte und gesunde Arbeit für alle Gesundheitsberufe als auch eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung ermöglicht werden.

New Work in Gesundheitsberufen
So können Stress und emotionale Erschöpfung beispielsweise durch eine Reduzierung von Arbeitsunterbrechungen und Multitasking deutlich verringert werden. Auch Pausenzeiten sind essenziell, um unsere Konzentration aufrecht zu erhalten.
Zur Reduktion der hohen Fehlzeiten und zum Erhalt unseres mentalen Wohlbefindens bedarf es auch professioneller Unterstützung für unsere Berufsgruppe. Wir haben uns darauf spezialisiert, anderen Menschen zu helfen, aber haben in unserer Ausbildung nicht lernen können, für uns selbst zu sorgen und unsere eigene Gesundheit zu erhalten.

Professionelle Unterstützung bei den Themen Stressbewältigung, Ressourcenstärkung und Selbstmanagement sind sehr effektiv. Stress lässt sich besser bewältigen, indem gemeinsam reflektiert wird, wie sich Stress verringern lässt und anders bewertet werden kann.

Außerdem ist es sehr hilfreich zu gucken, welche individuellen Kraftquellen (Ressourcen) jeder Arzt/Ärztin hat, um nach den täglichen Herausforderungen wieder aufzutanken. Dies kann ein Hobby wie Musik hören oder eine sportliche Betätigung sein.

Die Integration dieser Kraftquellen in unseren Alltag ist meistens eine Herausforderung. Aber auch hieran lässt sich mit einem professionellen Coaching und den Techniken der Verhaltensgewohnheiten arbeiten.
Erkenntnisse und praktische Übungen aus der „Positiven Psychologie“ können ebenso helfen, unser mentales Wohlbefinden zu verbessern.

Leicht umzusetzen und effektiv ist beispielsweise eine tägliche Dankbarkeitsübung, bei der du jeden Tag Dinge aufschreibst, für die du an diesem speziellen Tag dankbar bist. Das kann dir dabei helfen, dich auf die positiven Aspekte des Lebens zu konzentrieren.

Lasst uns jeder für sich und auch gemeinsam unser mentales Wohlbefinden fördern. Dann können wir auch in Zukunft unseren schönen und einzigartigen Beruf mit Freude, Leidenschaft und bei guter Gesundheit ausüben.

Dr. med. Sebastian Kuss ist Gründer von HealthyDoctor, einem Unternehmen für die mentale Gesundheit von Ärzten und Ärztinnen. Unter www.healthydoctor.de gibt es mehr Informationen zum Thema Mental Health und Coaching für Ärzte.